#19
von Dark-Chummer
Ich zitiere mal den Gamestar-Tester Benjamin Danneberg
Der Autor
»Ich würde auch Hasen rauchen, wenn sie anblieben!« Was für Charlie Harper in »Two and a half Men« die kubanische Zigarre ist, ist für Benjamin Danneberg ein gutes Spiel - da spielt das Genre eine untergeordnete Rolle. Hier schreibt Benjamin, warum er Baldur's Gate schon neunmal durchgespielt hat. Die gesamte Serie.
Gut Test will Weile haben
Wie schon gesagt: Mit der Ewigkeit ist das so eine Sache. Und dieser Brocken von einem Spiel hat einen Mordsumfang. Mir kommt es mittlerweile so vor, als hätte ich vor einer Ewigkeit meine ersten Schritte in Pillars of Eternity gemacht.
Nicht etwa, weil sich das Spiel zieht wie Kaugummi, im Gegenteil: Es fesselt. Es fordert. Und zwar meine Konzentration, meine Kombinationsfähigkeiten, meine Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Oh, dazu muss ich gleich noch was sagen, zu diesen - HimmelHerrGottKruzifixNochmal! - Entscheidungen.
(Bis zu fünf Begleiter können wir mitnehmen.)
Jedenfalls bin ich »erst« im dritten und letzten Akt. Viele Spiele handeln finale Akte ja gern mit dem Hauptquest-Rest zügig ab. Pillars of Eternity nicht, es macht stur weiter mit großartigen Texten, komplexen Handlungsverläufen und überraschenden Story-Verläufen.
Da kann ich nicht einfach so durchstürmen, um einen Test abzuliefern. Hier kann ich mich nicht durchklicken oder im Godlike-Modus durch die Kämpfe moschen, nur um meinen Spieldurchgang zu komplettieren. Ganz unabhängig davon, dass ich das auch nicht will.
Darum wird es den Test aller Wahrscheinlichkeit nach erst morgen geben. Um dieses Epos in einem adäquaten Test behandeln zu können, will und muss ich es ganz gesehen haben. Hier geht es schließlich um die Frage, ob es im Jahre 2015 endlich wieder ein Rollenspiel schafft, zu alten Rollenspielschwergewichten wie Planescape: Torment und natürlich der Baldur's-Gate-Saga aufschließen zu können. Soviel kann ich sagen: Es sieht ganz danach aus!
Pillars of Eternity
Old-School-Rollenspiel im Gameplay-Trailer (1:36)
A Million Shades of Grey
Nein, die Welt Eora ist keine Fesselspielwiese für seichte Hausfrauen/männer-Träume. Sie fesselt aber durch eine konsequent durchgezogene Graufärbung so ziemlich aller Entscheidungsmöglichkeiten. Es gibt kaum eine Aufgabe, kaum ein Gespräch, in dem eine klare Trennung zwischen Gut und Böse zu erkennen ist.
Das Wort des einen steht gegen das Wort des anderen. Ständig muss ich mich fragen: Kann ich meinem jeweiligen Gesprächspartner vertrauen? Welche Ziele verfolgt er wirklich? Ist das, was er getan hat, im Sinne eines höheren Zwecks, eines großen Ganzen, vertretbar - oder eben nicht?
Fluch über euch, Obsidian! Habe ich in Baldur's Gate fast immer genau gewusst, wie ich meinem moralischen Kompass folgen muss, kann ich das hier vergessen. Stattdessen sitze ich bei jedem Dialog, bei jeder größeren Entscheidung da - und muss nachdenken.
Das Tagebuch nochmal wälzen. Nochmal nachdenken. Wie wird sich mein Tun auswirken? Hat mein Gegenüber wirklich nur Gutes im Sinn, oder ist er ein durchtriebener Schurke? Welche Ziele verfolgt er wirklich?
Nein: Ich habe selten genug Informationen, um aus Grauschattierungen echtes Schwarz oder Weiß extrahieren zu können. Fluch über euch, Obsidian - denn das habt ihr großartig hinbekommen. Nie fühlten sich Entscheidungen so echt, so wichtig an wie hier. Und nie haben mich so viele Zweifel geplagt. So oft.
Kaufen oder nicht?
Da liegt eine tote Frau auf dem Bett und wir rauben die fallengesicherte Kiste aus. Schufte!
Grundsätzlich rate ich immer dazu, den GameStar-Tests abzuwarten, bevor man bei einem Spiel zuschlägt. Dabei geht es aber nicht bloß um eine Spielspaßbewertung des Testers, dabei geht es auch um die Frage, ob ein Spiel überhaupt etwas für einen selbst ist.
Für wen ist »Pillars of Eternity« also gedacht? Für Baldur's-Gate-Liebhaber und Fans der Infinity-Spiele? Ein klares: absolut! Wer kein Problem mit vielen (unvertonten) Dialogen hat, hervorragend geschriebene Texte liebt, in der Geschichte der Welt versinken will und mit viel Zeit alles aufsaugen möchte, was das reichhaltige Spiel hergibt, der bekommt nichts weniger als ein Festmahl serviert.
Wer sich nicht auf Dialoge und Lesetexte konzentrieren kann (und das ist hier unbedingt notwendig), wer nicht die Geduld aufbringt, sich in die vielen Zauber und Fähigkeiten rein zu fuchsen, wer Spiele mit solchem Umfang generell scheut, der sollte die Finger davon lassen.
Was sind die Mängel?
Die tolle, extrem detaillierte Grafik wird im vollen Zoom-Modus durch verwaschene, unscharfe Texturen getrübt. Es gibt kleinere Bedienungsfehler, davon abgesehen aber so gut wie keine Bugs. Abstürze hatte ich überhaupt nicht.
Der größte Kritikpunkt liegt in der Übersetzung. Halt! Nicht voreilig »War ja klar!« rufen. Denn die Übersetzung ist insgesamt gesehen sehr gut - streckenweise sogar herausragend. Aber ihr fehlt Feinschliff. Es gibt immer wieder kleine Fehler, falsche Übersetzungen von einzelnen Worten, die mich dazu zwingen, einen Satz zweimal zu lesen, damit ich ihn verstehe.
Auch in der Formatierung sind diverse Fehlerchen zu finden. Das trübt die Atmosphäre ein bisschen. Es wäre super, wenn Paradox die Übersetzer nochmal mit Nachbesserungen beauftragen würde.
Patch zu Release
Einen kleinen Vorteil hat unsere Testverschiebung auch noch, denn zum heutigen Release ist noch ein Patch angekündigt. Ich kann die Änderungen hier berücksichtigen und somit das Spiel in der Fassung beurteilen, die jedem Spieler von Beginn an zur Verfügung steht.
Jetzt muss ich schnell wieder zurück ins Spiel. Es steht erneut eine Entscheidung an. Ach verdammt, ich hole mir erstmal einen Kaffee - und dann muss ich drüber nachdenken..."
Zuletzt geändert von
Dark-Chummer am 27. Mär 2015, 10:33, insgesamt 1-mal geändert.